Wednesday, September 24, 2008

Talk of the Town: From Wall Street to Main Street

Man kann nicht immer richtig liegen. Am Montag, den 22. September, den ich gegenüber Facebook-Freunden schon als vermeintlichen Black Monday genannt hatte, brach der Himmel noch nicht über dem Fincial District zusammen – noch nicht ganz. Das sollte erst eine Woche später passieren. Doch es war auch schon dunkel, als wir stattdessen nach Ellis Island und zur Statue Liberty übersetzten - dunkel zur Mittagszeit.


Im Zeitraffer von ein paar Jahren werden diese Tage einmal einen tiefschwarzeingefärbten Schleier tragen und im Historienkabinett landen. So war das, als die Wall Street kollabierte.


Während das Unvermeidliche seinen Lauf nimmt, sieht man, wie sich Kamera-Teams in Position bringen und Interviews mit prominenten Fondsmanagern (oder solchen, die es mal waren) oder dem einfachen Mann der Straße führen, der plötzlich seine 15 minutes of fame hat. "How do you deal with the crisis on Wall Street", will die Dame von CNBC wissen. From Wall Street to Main Street ist das Thema der Stunde. Die Krise hat Joe Average erreicht.


Das stimmt tatsächlich. "Can’t believe what happend at Fannie and Freddie", hört man von einem Tisch und weiß sofort, dass nicht die bescheuerte Verwandschaft, sondern die größte Immobilienfinanzierer gemeint sind. "Too big to fail", prustet jemand im Subway-Schacht heraus. Also doch: Size does matter. Wohl dem, der die richtige Größe hat.


Und dann schließlich der 700-Milliarden-Dollar-Bailout, der selbst Sarah Palins Sexualkunde aus dem Stadtgespräch zu verdrängen scheint. "Man, I need a bailout, too", gröhlt ein angetrunkener Andy Roddick-Verschnitt am Abend im East Village. Who doesn’t? George Bush schwört unterdessen auf ganze harte Zeiten ein:





"Without immediate action by Congress, America could slip into a financial panic, and a distressing scenario would unfold: More banks could fail, including some in your community. The stock market would drop even more, which would reduce the value of your retirement account. The value of your home could plummet. Foreclosures would rise dramatically. And if you own a business or a farm, you would find it harder and more expensive to get credit. More businesses would close their doors, and millions of Americans could lose their jobs. Even if you have good credit history, it would be more difficult for you to get the loans you need to buy a car or send your children to college. And ultimately, our country could experience a long and painful recession".

So liest sich eine Kapitulationserklärung.

Alle Fotos: © Nils Jacobsen

Saturday, September 20, 2008

New York in Zeiten der Finanzkrise

Ich sollte es vielleicht lassen mit New York. Das letzte Mal, als ich den Big Apple besuchte, jährte die Dot.com-Krise zum ersten Mal. Das war im März 2001. Die Krise war allgegenwärtig, den New Yorker aber nicht anzumerken. Das änderte sich ein halbes Jahr später, als sie Boeings in die Zwillingstürme flogen, was sich immer noch unheimlich anfühlt – besonders, da ich diese Zeilen gerade in der Luft schreibe.


Sieben Jahre später habe ich mich wieder nach New York gewagt – ins Auge des Wall Street-Hurrikans, der wenige Tage vor der Abreise erst richtig ausgebrochen ist. Wieder ist die Krise ein Jahr alt, doch diesmal scheint tatsächlich alles anders. Im Tagesrhythmus geht eine US-Investmentbank pleite, wird zwangsfusioniert oder notverkauft.


Als ich abreiste, war es Lehman, die dem Sturm nicht mehr standhalten konnte. Davon ist an der 745 Seventh Avenue, wo die Heaquarters stehen und noch immer bewacht werden, nicht besonders viel zu sehen. Der Lehman-Schriftzug leuchtet noch immer so protzig auf, als wären die Ereignisse vom vorangegangen Montag nur die Episode eines Trading-Tages. Dabei steht jenes prunkvolle Unternehmen mit 158-jähriger Geschichte längst unter Gläubigerschutz - Chapter 11, wie es im Börsenjargon so (un-)schön heißt.


Ein paar Straßen tiefer tobt das Leben, als hätte es keinen historischen Kursrutsch an den Aktienmärkten gegeben. Die ganze Welt – buchstäblich die ganze Welt: Kleinasien, Lateinamerika, Europa und Rest-Amerika – quetscht sich an der 42sten über den proper gefüllten Times Square, der wie immer aus allen Nähten platzt.


Über den Köpfen des Bieneschwarms flimmern in Sekundenbruchteilen wechselnde Anzeigen, die versuchen, die Meute zu bekehren. "I’m a PC", sagen da Jedermänner, aber auch Prominente wie Pharrell Williams. Wieviel Dollar man dem Mitglied des Billion Boys Clubs für das armseelige Bekenntnis wohl geboten haben muss? Immerhin, ein Eingeständnis: Microsoft reagiert auf Apples Kult-Kampagne. Was das Leben als PC damit am Ende des Tages nicht wirklich besser macht...


Aber was macht das schon? Das Geld muss schließlich verbrannt werden. 200 Millionen Dollar von Microsoft in der jüngsten Kampagne. Ein Hundertfaches davon ein paar Meter tiefer unten an der Technologiebörse Nasdaq, wo bunte 3D-Logos mit blutroten Kursnotierungen durchtränkt werden.


Apple, Google, RIM: Alle haben sie zumindest 35 Prozent ihres Wertes bis heute verloren. Es ist Samstag, der 20. September, und das große Ende sollte noch bevorstehen...

Alle Fotos: © Nils Jacobsen