Wednesday, December 05, 2007

Nichts als Gespenster

Es gibt wenige Filme, die die Magie einer Romanvorlage in Celluloid zu übersetzen wissen. Noch schwerer wird es, wenn man aus einzelnen Erzählungen einen Handlungsstrang stricken will. Dem Regisseur Martin Gypkens ist das auf erstaunliche Weise mit Judith Hermanns Erzählband Nichts als Gespenster gelungen, der mir noch immer einer der liebsten der letzten Jahre ist. So gerne und so schnell spricht das Feuilleton vom "Lebensgefühl" oder "Sound einer Generation" - jedes Jahr ist es so weit, dass man angeblich einen neuen Soundtrack oder Roman über oder zu seinem Leben serviert bekommt.



Bei Nichts als Gespenster war das nichts anders, doch wer kann wirklich behauten, so zu leben? "Es ist nicht ungewöhnlich. Viele Leute leben so", schreibt Judith Hermann in ihrer Titel-Erzählung, was natürlich eine romantische Übertreibung ist. "Sie reisen und sehen sich die Welt an, und dann kommen sie zurück, arbeiten, und wenn sie genug Geld verdient haben, fahren sie wieder woanders hin".

Ob das tatsächlich der Lebensentwurf der Generation 30+ ist, wäre noch zu klären – fraglos aber ist es ein reizvoller Lebensentwurf, ständig getrieben von der Sehnsucht nach Erleben, der Suche nach dem großen Augenblick. Martin Gypkens hat sie in enorm intensiven Bildern eingefangen, die hungrig auf Island, Jamaica oder sogar, obwohl eigentlich uncool genug, die Rocky Mountains machen. Auf ins Leben!

Monday, September 24, 2007

Scenes from the Summer

Es gibt Leute, die behaupten, man sollte alles einmal ausprobieren. Nun, was für das wirkliche Leben gilt, dürfte erst recht im Web 2.0 seine Gültigkeit behalten.
Here’s to YouTube, take one:

Monday, August 20, 2007

Notes from Norway

Eine Reise zurück in die Schulzeit der Knut-Hamsun-Romane, eine Reise zu den Ölscheichs des Nordens: Eine Reise ins Fjordland mit folgenden Erkenntnissen:


Norwegen ist teuer. Aber dann doch nicht so teuer wie erwartet.



Norwegerkinder sind hart im Nehmen: Auch bei 17 Grad Wassertemperatur belagern sich fünf- bis sechsmal den nächstbesten See.



Auch in Norwegen kann man sich einen Sonnenbrand holen: An den zwei oder drei Hochsommertagen im Jahr.



4,7 Millionen Norweger verteilt auf 385.199 km²: Ja, es ist wirklich herrlich einsam hier.



Lektion der Langsamkeit: Schneller als 90 km/h geht es tatsächlich nie voran – dank der unzähligen Tunnel in Kilometerabständen sogar noch um einiges langsamer.



Alle Fotos: © Nils Jacobsen

Monday, July 30, 2007

Die Lage am Lago

Ein langes Wochenende bei einem Freund und Kollegen am Lago Maggiore. Wieder einige Klischees bestätigt bekommen und einiges gelernt über unseren Nachbarn im Süden, der uns einst die WM so sehr verleidete und den wir doch um sein Dolce Vita so beneiden:


In Italien scheint die Sonne immer. 3 Tage im Juli, 3 Tage über 30 Grad. In Italien schmeckt das Essen immer besser als Hause. Grundsätzlich gibt es immer drei Gänge, von denen bereits die Antipasti deutsche Hauptgerichte um Längen schlägt.


Und ja, in Italien kommen die Frauen dann doch jenes Bisschen rassiger und verdorbener daher, wie es die Klischees seit jeher lehren. Und offenbar halten sie Wort: "They are no good", warnt die Freundin des Freundes, die selbst Italienerin ist: "They just wanna...." Hm. Auch wahr: In Italien geht es um einiges lauter zu als in der heimatlichen Republik: Gestritten und gestikuliert wird schon beim Autofahren, als ginge es um die Meisterschaft in der Serie A.


Zurück in Deutschland 17 Grad, vom Sommer noch immer keine Spur, Rollenkragenpulliwetter, kommt unweigerlich die Ernüchterung – und mit ihr die Frage auf: Warum hat es Bella Italia eigentlich so oft, so viel besser?

Alle Fotos: © Nils Jacobsen

Monday, July 09, 2007

London, Hauptstadt der Welt

Ein Supersportwochenende London im XXL-Format: In Wimbledon auf dem Centre Court in der vierte Reihe bei den Semi-Finales, am BigBen hautnah beim Prolog der Tour de France und in Soho bis um Morgengrauen unterwegs mit einem alten Schulfreund - mehr geht nicht in drei Tagen. Was sonst noch alles in London geht - selbst in Zeiten des Terrors: Hier lesen.


Jelena Jankovic, der Blickfang der Fotografen: Auch der englischen, seit die Nummer drei der Welt mit dem Briten Jamie Murray verdächtig gut gelaunte Mixed Doppels spielt - und auch noch das Tunier gewinnt. Geht da noch mehr?


Sensation auf dem Centre Court am frühen Freitagabend: Justine Henin gibt ihr praktisch gewonnes Halbfinale gegen Marion Bartoli aus der Hand - und bekommt im dritten Satz fast die Höchststrafe: 1:6


Der Prolog der 94. Tour de France am Big Ben: Viel umjubelter und vielsprechener Auftakt einer Tour, die zum Super-GAU werden sollte...


Alle Fotos: © Nils Jacobsen

Friday, June 29, 2007

iDay

Der Countdown läuft: Nur noch zehn Minuten sind es, bis das vermutlich meist erwartete Technologieprodukt aller Zeiten in den USA das Licht der Welt erblickt - exakt 172 Tage nach der Erstankündigung auf der alljährlichen MacWorld Expo am 9. Januar in San Francisco: Es ist ein Kleinstcomputer mit 3,5-Zoll-Display, es bietet einen Internetzugang mit Safari-Browser und Google-Maps, es ist ein MP3-Player - und es ist natürlich ein Mobilfunktelefon. Thank God it's iDay: Say hello to the incredible, inevitable iPhone! Foto: © Apple, Inc.

Monday, June 25, 2007

T-Day

Es ist soweit. Seit heute ist mein VDSL-Anschluss tatsächlich freigeschaltet. Das heißt nichts anderes als: Die so bunt und opulente beworbene T-Home-Welt steht mir nun also auch offen – schließlich und endlich. Dass es dazu allerdings überhaupt noch gekommen ist, ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, wie manch Eingeweihter weiß, dem ich in den vergangenen 6 Monaten, also 26 Wochen, also rund 175 Tagen andeutunsgweise und spaßeshalber mal mit diesem Thema in den Ohren gelegen habe. In der ersten Januarwoche den T-Punkt mit einem Bestellversuch aufgesucht, in der letzten Juniwoche nach einem halbstündigen Telefonat mit dem stets freundlichen und verständnisvollen Kundendienst der T-Com tatsächlich freigeschaltet. Fühle ich mich dank 50.000 kbit/s nun wirklich grenzenlos Zuhause? Erfahrungsbericht folgt.

Foto: fbz

Sunday, June 24, 2007

WM-Revival bei flying dog: Drama, Mädels!


Was für ein besseres Motto für eine krachende Party könnte ein WM-Revival sein, wie am vorvergangenen Freitag in der Hamburger Dependance von flying dog software zu beobachten? Die Sommernacht war lau, die Getränke eisgekühlt und die Trikots aus allen Herren Ländern so bunt gemischt – vom mutig-modernen Oranje- bis zum retro-verklärten DDR-Jersey – wie die Gäste selbst.


Die eigentlichen Attraktionen des Abends kamen auch ganz ohne Fußballleibchen aus, hatten dafür jedoch manche Anleihe an die Popkultur der Moderne zu bieten. Etwa einen aus Germany’s Top Model entlehnten Schlachtruf, ausgestoßen vorm notorischen Partyshooter: Ahoj-Brause mit Wodka. Kaum hatten die potenziellen nächsten Topmodels der Republik die Pulvertütchen (O-Ton: die Kokspäcken) aufgeratscht, den vereisten Wodka bereitgestellt, intonierten sie auch schon die Fanfare, die mir seit dem nicht mehr aus dem Kopf gehen sollte: 1,2,3 – Drama, Mädels! Wodka, ahoi!


Die Wikipedia lehrt: Das Brausepulver wird in den Mund genommen, der Wodka hinterher gegossen und beides so schnell hinuntergeschluckt, dass das Aufschäumen des Brausepulvers nicht im Mund, sondern im Magen geschieht.


Und das Wunderpulver sollte tatsächlich Wunder wirken: Wenig später stürmten die Nachwuchsmodels, die sich tatsächlich als Modestudentinnen herausstellen sollten, zu den Klängen von Promiscuous die Tanzfläche – und freuten sich über ein kurzfristig improvisiertes iPod-Shuffle-plugs-into-iTunes-Set.



Was nicht am Alkohol gelegen haben kann: Club-Burner wie O.D.B.s legendäres Got your money oder Notorious B.I.G.s Mo’ Money Mo’ Problems wurden nicht nur euphorisch bekreischt, sondern bereits bei den ersten pumpenden Bässen erkannt – und bei den letzten Hooks gewürdigt: Ich bin schon sooooo gespannt, was der DJ als nächstes spielt! Merke: Guter Musikgeschmack ist keine Frage des Alters.


Beruhigendste Erkenntnis des Abends: Ein vollbeladener iPod rockt jede Party. Beunruhigendste Erkenntnis des Abends: Für eine wirklich gute Party braucht es neben den richtigen Gästen noch zwei weitere Dinge: Ahoj-Brause und Wodka!

Alle Fotos: © flying dog

Saturday, June 09, 2007

WM-Beginn vor einem Jahr: Sommermärchen, reloaded

Foto: © Nils Jacobsen

Ein Jahr ist es her, als die Zeit stillstand und wirklich für eine ganze Republik paradiesischer Ausnahmezustand herrschte. Alles, aber auch alles stimmte – zumindest bis zur 118. Minute jenes denkwürdigen 4. Julis 2006. Mit dem Anpfiff des Eröffnungsspiels gegen Costa Rica kippte nicht nur die Stimmung im Land, sondern auch die Klimalage: 3 Wochen lang konstanter Hochsommer im Juni – so etwas hat es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wohl noch nicht gegeben.

Foto: © Nils Jacobsen

Das Ergebnis war dann tatsächlich das viel zitierte Sommermärchen, das später zum Synonym der 18. Fußball-WM werden sollte. Für eine ganze Generation dürften diese denkwürdigen vier Wochen vom 9. Juni bis zum 9. Juli als der vielleicht beste Sommer ihres Lebens gelten – ich will mich da gar nicht ausschließen. Jeden Tag (fast ) jedes Match auf der Schanze bei den Herren Simpel, in der Hamburger Botschaft, im Central Park oder sogar an der Elbe im Strand Pauli – was für eine unfassbare Zeit war das denn, bitte?

Friday, June 01, 2007

Summertime - Primetime des Jahres

Es ist soweit: Das Warten hat ein Ende. 1. Juni – kalendarischer Sommerbeginn. Auch wider besseres Wissen bin ich nach wie vor der Meinung, dass eine Dreiteilung der Jahreszeiten viel zeitgemäßer wäre. So gibt es die ganz gruselige Winterzeit mit Tagen, bereits gelaufen sind, bevor zu begonnen haben. Dann gibt es die hoffnungsvolle oder -lose Übergangszeit im April / Mai und Oktober / November. Und dann gibt es die eigentliche Festzeit des Lebens, in der alles möglich scheint, an heißen Tagen und lauwarmen Nächten.

Es ist die Zeit, in der das pralle Leben lockt: Kicken im Stadtpark, Grillen an der Elbe, Chillen an der Alster, Schanzennächte bis zum Morgengrauen, endlose Biketouren durchs Viermarsch- oder Alte Land und gnadenlose Grundlinienrallies auf der roten Asche des Turmwegs – es ist nicht weniger als die Primetime des Jahres, die eine und einzige, die wirklich zählt. Happy Summertime!

Foto: © Nils Jacobsen

Thursday, May 31, 2007

Der teuerste Apfel der Welt

Knapp 105 Milliarden Dollar kostete er gestern. Mehr als 31 Jahre ist er inzwischen alt und befindet sich seit knapp einem halben Jahrzehnt in seiner kräftigsten Wachstumsphase. Wer es ist? Hier klicken und staunen.

Foto: Justin Russell

Wednesday, May 30, 2007

Greetings from Greece

14 Tage Griechenland, 14 Tage dann doch eine andere Welt, 14 Lektionen fürs Leben:

1. Mit Athen-Flügen lässt sich schon mal die Urlaubskasse aufbessern. Zumindest wenn man bei überbuchten Flügen in Besitz dreier goldener Gaben ist: Eines gültigen Flugticktes, einer schnellen Entscheidungsgabe und einer Menge Geduld. Wer 8 Stunden Wartezeit in Frankfurt mitbrachte, konnte auf dem Hinflug bei der Lufthansa schon mal schnelle 400 Euro verdienen. In bar, versteht sich.

2. Athen besteht zur Hälfte aus amerikanischen Touristen.















3. Auf die Akropolis – dem vermutlich maßgeblichen Grund des One-Day-Athens-Hopings der US-Touristen – schafft es die überwältigende Mehrheit von ihnen dann aber seltsamerweise doch nicht.

4. Auch in Athener Bars, Tavernen oder der Plaka sind die stets notorisch gutgelaunten Amerikanerinnen die auffälligsten, weil lautesten Gäste. So lernt man Ashley, Lindsay und Kimberly auch aus der sicheren Entfernung von zehn Metern kennen, ohne sie kennenzulernen: Oh my God! That was soooo fun!

5. Auch in Athen wird gestreikt. Fast täglich sogar.















6. Die Globalisierung ist überall: Athener-Studentinnen summen und singen im Uni-Viertel bei Starbucks den unsäglichen ukrainischen Eurovisionsbeitrag – und bekommen ein eigentümliches Verständnis von der deutschen Zahlenlehre: Sieben, sieben, ailulu - sieben, sieben eins, zwei.

7. Journalisten leben in Athen gefährlich: Eine Seitenstraße hinter dem Hotel werden die Fensterscheiben der hiesigen Redaktion durch aufgebrachte Leser ebenso schon mal zu Bruch gebracht wie die Autos der Journalisten – die Nähe zum Nahen Osten, sie scheint nicht von ganz ungefähr zu kommen.

8. Griechen müssen Frühaufsteher sein: So ziemlich jedes Museum schließt um 15 Uhr.















9. Der griechische Verkehr scheint eine rechts- und regelfreie Zone zu sein.

10. Griechische Taxifahrer sind noch dreister als ihre südeuropäischen Kollegen und schlagen auf dem Weg zum Flughafen schon mal 10 Euro drauf. Zumindest versuchen sie’s.

11. Kretaer Ferienhäuser sind so teuer wie in Südfrankreich, leider allerdings nicht so komfortabel. Nachts regnet es schon mal aufs Kopfkissen, und sämtliche Tierarten scheinen auch im Dach eine bequeme Behausung zu finden.















12. Das Putzpersonal kommt, wann es will: Manchmal um 13 Uhr, manchmal um 18 Uhr, manchmal auch gar nicht. Dann kommt jemand anderes, grüßt, dreht eine Runde um das Anwesen - putzt aber nicht.

13. Das Web 2.0 ist überall – auch auf Kreta: Welche Seite besuchen braungebrannte Norwegerinnen an einem Regentag in Rethymon als erstes im Internetcafé? Ganz genau – Facebook, das globale StudiVz.

14. Die Griechen haben am meisten Sex. Behauptet zumindest der Kondomhersteller Durex in einer weltweiten Umfrage – (ob, nun ja, repräsentativ, bleibt offen). Warum, wird beim Zappen durch die Radiosender klar, die sich nicht zu schade sind, auch auf Stimulanzen aus den 90er-Jahren zurückzugreifen: Ja, dass der Remix von LaTours French Kiss-Kopie People are still having Sex so penetranten Airplay bekommt, könnte an seiner subtilen, aber dann doch bestimmten Botschaft liegen: "People are still having Sex – and nothing seems to stop them".

Ja, so sind sie, die Journalisten, zumal noch die deutschen: Weltmeister im Nörgeln und der kleinen ironischen Nadelstiche. Zugegeben: So richtig schön war's natürlich trotzdem: der Sonne, der Wanderstiefel und dem griechischen Wein sei Dank!

Alle Fotos: © Nils Jacobsen

Monday, May 28, 2007

Blogger 2.0, Web 1.0

Ein neues Vorhaben, eine alte Enttäuschung.

Es klappt nicht so richtig mit dem Bloggen. Noch zu Jahresbeginn angekündigt, dann die große Leere in den vergangenen fünf Monaten. Warum?










Foto: re-ality

Das Problem liegt gar nicht mal am Faktor Zeit (natürlich immer die Standardausrede Nummer eins), es liegt noch weniger an mangelnder Inspiration (wer könnte das in einem Jahr der iPhone-Einführung, der inflationären Bayern-Niederlagen und des Sommers im April – in einer historischen Zeit also! – schon ernsthaft behaupten): Es liegt an der ersten großen Enttäuschung, die dieses vermutlich erstaunlichste Unternehmen eines erstaunlichen Jahrzehnts hervorgebracht hat.

Ja, Google ist Schuld. Dieses Mal.

Bei allem Respekt vor den hübschen Designentwürfen, die dieses Blogformat bietet – aber: Blogger sucks. Big Time!

Es ist das erste Mal seit den unsäglichen Produktupdates von Microsoft, die ich – Apple sei dank – seit mehr als einer Dekade nicht mehr verfolge und nicht mehr verfolgen muss –, dass sich für mich ein Produktupgrade als Verschlechterung erweist. Nichtsahnend habe ich seinerzeit in den Weihnachtsfeiertagen den fatalen Klick zum Upgrade auf die Version von Blogger 2.0 vollzogen, die allerdings auf einem Mac zu nachhaltigen Problemen führte: Texte sind schwieriger editierbar, Bilder nur mit Problemen upzuloaden (im Profil direkt gar nicht) und – am schlimmsten – die Tags sind auf der Profilseite nicht clickable.

Genau das aber ist doch die ursprüngliche Motivation des Bloggens und der Grundgedanke des Formats: Vernetzung mit anderen Bloggern, Ideen- und Gedankenaustausch, unkomplizierte Interaktion. Es geht darum zu finden und gefunden zu werden. Wenn aber bestimmte Schlagworte nicht klickbar, also vernetzt sind, wenn es keine Übersichtseite gibt, die über die neusten Einträge informiert und die Blogs eventuell nach Oberthemen verschlagwortet, macht es im Grunde wenig Sinn, ein Blog zu führen – es sei denn, man gibt es sich dem exhibitionistischen Treiben hin, Selbstmitteilungen in die Welt zu blasen, die alle Welt lesen könnte, aber man Ende keiner auf der Welt liest.

So weit, so schlecht also.

Und trotzdem ist es zu früh für eine Kapitulation. Diesen Sommer über werde ich das Experiment Bloggen fortsetzen, auch auf die Gefahr, selbst mein bester Leser zu sein. Der Kompromiss besteht darin, dieses Blog als erste Spielwiese zu nutzen, um am Ende des Tages, des Monats oder Jahres zu einer anderen Adresse überzusiedeln. Es wäre nicht der erste Wechsel: I am moving this blog to wordpress, life is much more simple there, lauteten schon im vergangenen Herbst die denkwürdigen letzten Worte des prominenten Hedgefondsmangers Cody Willard in seinem Cody Blog.

Die Auktion für bessere Bloggebote ist hiermit eröffnet :-)

Monday, January 08, 2007

Prolog

Ein neues Jahr, ein neues Vorhaben.

In den vergangenen Jahren kam mir immer wieder der Gedanke, auch an einem Blog zu schreiben – so, wie Gedanken eben kommen: unsortiert, aber mit einem gewissen Nachdruck. Im zweiten Augenblick habe ich die Absicht dann aber immer wieder relativ schnell verworfen – zum einen, weil mir die meisten Einträge zu dieser Zeit eher dilettantisch und unspektakulär erschienen, zum anderen, weil ich bezweifelte, neben der journalistischen Arbeit noch die Zeit für ein Blog zu finden.

Foto: Yaniv Golan

Doch ein, zwei oder gar drei Jahre können im Internet bekanntlich eine unfassbar lange Zeit sein. Seit mehr als einem Jahrzehnt nutze ich das Medium nun schon. In dieser Zeit hat das Web mehr Innovationszyklen erfahren als andere Branchen in einem Jahrhundert. Da war die frühe Verbreitungsphase, geprägt durch Pioniere wie Netscape, Geocities und die AOL-Ära, dann der kommerzielle Aufstieg durch Amazon, eBay, Yahoo & Co, der unfassbare Startup-Rummel mit dem folgenden Absturz der New Economy, dann als neuer Abschnitt die Googlisierung des Internet.

In vergangen Jahr wurde mit dem viel zitierten Web 2.0 schließlich ein ganz neues Kapital aufgeschlagen. Obwohl nicht gerade von einem technischen Quantensprung gesprochen werden kann, so ist doch eine tiefgreifende Veränderung erkennbar: Plötzlich passiert wirklich etwas im Web. Millionen Bilder werden jeden Tag bei Flickr getauscht, Millionen Videos bei YouTube hochgeladen und eben zig Millionen mal bei Blogger, Typepad oder Wordpress gebloggt – und bei Technorati gefunden.

Foto: kid.mercury

Es ist ein bisschen so, als würde ein unausgesprochenes Versprechen eingelöst: Plötzlich machen alle mit. Das gilt auch – und gerade – für die Blogs. Die Qualität dieser neuen Beitragsplattformen hat sich inzwischen dramatisch verbessert: Immer lesenwertere Blogs erreichen das Web – ob professionell gestaltete Seiten wie Mac-Essentials oder Spreeblick, die es längst mit redaktionellen Angeboten aufnehmen können oder auch und gerade die vielen authentischen Einblicke der unzähligen privaten Blogger da draußen, die immer spannendere Einträge hervorbringen.

Ich will nun selbst ausprobieren, was mit diesem Format möglich ist. Dabei werden sich meine Postings in erster Linie wohl um die Welt der Börse, der Wirtschaft, des Web 2.0s selbst, des Sports, der Literatur, der Musik – also des Zeitgeists – drehen, vor allem aber sollen persönliche An- und Einsichten nicht zu kurz kommen. Längere, journalistische Artikel wird es vermutlich weniger geben – die sind weiterhin täglich in der interaktive Investorenzeitung YEALD.de zu lesen.

Vielmehr geht es mir um die Faszination des Kleinen im Großen: Um lose Gedankensplitter, Assoziationsfetzen, literarische Skizzen – um diesen einen Satz, dem man im Notizbuch festhält. Dieses Blog soll mein Notizbuch sein. Doch in der Zeit des Web 2.0 bleibt das Notizbuch nicht mehr verschlossen, sondern soll vielmehr zu einem Pool von Ideen, Links, Bildern oder gar VLogs werden – eine Spielwiese für jeden, der lesen, sehen und vor allem mitmachen will! Die erste Seite des Notizbuchs wird nun aufgeschlagen. Endlich.